Nachhaltige Erschöpfung, die sich nicht durch ein freies Wochenende kurieren lässt; dauernde Gereiztheit, Ratlosigkeit, Freudlosigkeit, Angst vor den gewohnten Aufgaben – solche Zustände bezeichnet man als “Burn-out”. Der Begriff wurde von Herbert Freudenberger, einem Psychoanalytiker in den siebziger Jahren geprägt und bezieht sich auf Erschöpfungszustände, die noch nicht den Schweregrad psychischer Krankheit erreicht haben. Folgerichtig fehlt das “Burn-out” in der “Internationalen Klassifikation psychischer Störungen” (ICD, Kapitel V(F)), und erscheint nur im Anhang der Gesamt-ICD, in dem gesundheitliche “Probleme” aufgeführt werden, die nicht unter den zuvor genannten “Krankheiten” erfasst sind. In der Allgemeinheit wird die Bezeichnung “Burn-out” oft verwendet, weil sie so anschaulich ist. Wer mit den Symptomen eines Burn-outs zu kämpfen hat, fühlt sich wirklich wie ausgebrannt, manchmal kurz vor dem Verlöschen. In der Vorgeschichte würde man eine Phase anhaltender Überanstrengung erwarten. Die Burn-out-Problematik trifft also vor allem Menschen, für die einige der folgenden Merkmale zutreffen:

Schützend wirken sich dagegen folgende Merkmale aus:

Wer sich in der oberen Liste mit einigen Kriterien wiederfindet, sollte mindestens genauso viele Punkte aus der unteren Liste ankreuzen können, um sich auf der sicheren Seite zu fühlen. Die untere Liste dient der sogenannten „Psychohygiene“: Wir alle müssen immer wieder darauf achten, dass wir trotz der zahlreichen Anforderungen des Alltags eine gesunde Lebensweise einhalten und uns nicht selbst „verheizen“. Oft haben wir unsern Anteil an der Entwicklung eines Burn-outs. Manche Menschen sind ehrgeizig und verlangen sich selbst Höchstleistungen ab; andere wieder fürchten so sehr, einen Fehler zu machen, dass sie sich selbst über die Maßen bemühen und kontrollieren. Es gibt Menschen, die sich den überzogenen Erwartungen anderer nicht zu verweigern wissen; aber es gibt auch ein paar, die nicht loslassen können, selbst wenn die Umwelt schon abwinkt und der Nächste auf seine Chance wartet. Es gibt Leute, die sich in jede Konkurrenz stürzen, als ginge es um ihr Leben. Wieder andere vergraben sich in den Beruf, um häuslichen Konflikten auszuweichen, oder weil sie bei der Arbeit unangenehme Ängste und Spannungen nicht mehr spüren. Nicht zuletzt gibt es Personen, die es einfach gut meinen; die Welt besser machen oder geliebten Angehörigen helfen wollen.

Gegen all dies ist im Prinzip nichts einzuwenden, solange man dabei gesund bleibt. Wer aber quälende Erschöpfungssymptome an sich bemerkt, sollte innehalten und nachdenken: Wo geht die ganze Kraft hin, was läuft falsch?

Manchmal erkennt man das gar nicht so leicht, und manchmal sind die Dinge so verfahren, dass man einfach nicht weiter weiß. Es gibt Typen, die vor lauter Hektik nicht merken, wie es ihnen geht; die mit Bluthochdruck weiter ins Büro rennen und dann eines Tages einfach umkippen. Es ist bekanntlich nicht leicht, sich selbst über die Schulter zu schauen. Auch wenn man schon spürt, dass etwas nicht stimmt, mag man oft nicht darüber nachdenken. Innere Faktoren – wie zum Beispiel bei einem leistungsorientierten Charakter – und äußere Notwendigkeiten wirken so stark auf uns, dass wir gar keine Fragen zu stellen wagen. Unser wachsendes Unbehagen führt vielleicht dazu, dass Tabak- und Alkoholkonsum ansteigen; dass man Kopfschmerzen und Schlafstörungen mit Pillen bekämpft. Manchmal kommen wir damit über die Runden, weil sich ein paar Umstände zu unsern Gunsten verändern. Manchmal aber geraten wir so nachhaltig ins Defizit, dass wir am Ende wirklich erkranken. Dann wird der Hausarzt eingeschaltet, der feststellen muss, mit welcher Art von Störung er es zu tun hat. Wenn er depressive Symptome feststellt (siehe Artikel “Depression"), wird er vielleicht zu einem Antidepressivum raten, um den festgefahrenen Stimmungsstoffwechsel wieder in Schwung zu bringen. Bei schwierigen Verläufen zieht er für die Medikation einen Psychiater hinzu oder aber, wenn der Eindruck besteht, dass Lebensstil und Persönlichkeit des Patienten stark zu seiner Erkrankung beigetragen hat, die Psychotherapeutin. Eine psychotherapeutische Behandlung soll helfen, die innere und äußere Problemlage richtig zu erfassen und notwendige Veränderungen zu planen und umzusetzen.

Für manche Betroffene ist es unangenehm, mit der Diagnose “Depression” konfrontiert zu werden. Der Begriff Burn-out scheint ihnen weniger erschreckend. Offiziell ist dieser aber, wie oben gesagt, nur für nicht krankheitswertige Störungen vorgesehen. In dem Moment, wo ärztliche Leistungen beansprucht werden (wie eine Psychotherapie), ist nachzuweisen, dass “Krankheit” und mithin eine medizinische Diagnose vorliegt. Denn allein für Krankheiten und gewisse anerkannte Präventionsmaßnahmen kommt das Gesundheitssystem auf. Und natürlich kann auch eine “Krankschreibung” nur ausgestellt werden, wenn eine Diagnose existiert. Es ist nicht immer einfach zu akzeptieren, dass man bei aller sonstigen Kompetenz plötzlich zu den “Kranken” gehört. Aber wer sich mit dieser Tatsache abfinden kann, ist schon einen Schritt weiter, denn erfolgreiche Lebensbewältigung hat viel mit dem Anerkennen von Realitäten zu tun.

Wenn Menschen über ein Burn-out klagen, wird die Diagnose also häufig “Depression” lauten - sofern die Symptomatik nicht auf eine organische Krankheit zurückzuführen ist, was der Hausarzt natürlich zuerst abklärt. Nach Ausschluss anderer Ursachen und Folgen bleibt die psychische Funktionsstörung, die dann einer sinnvollen Behandlung zugeführt werden kann. Wer sich selbst ehrlich anschaut und anschauen lässt, wird nach und nach verstehen, was falsch gelaufen ist. Nicht selten kann die Psychotherapie Wege und Strategien aufzeigen, die neue Chancen eröffnen – besonders dann, wenn wir uns mit gewissen Eigenheiten das Leben selbst schwer gemacht haben. Darüber hinaus gibt es natürlich Missgeschicke, für die wir gar nichts können. Aber wie sich die Schwierigkeiten auch eingestellt haben mögen, wir sind es, die damit fertig werden müssen – und zwar ohne uns dabei kaputtzumachen. Was immer uns in die Erschöpfung getrieben hat, kann nicht wichtiger sein als unsere Gesundheit. Letzten Endes geht es im Leben nicht um die großen Triumphe und den ersten Platz, sondern darum, sich wohl in seiner Haut zu fühlen. Manchmal reicht es nicht einmal für Silber und Bronze; manchmal müssen wir einfach aufgeben und gute – gesunde! – Verlierer sein. Selbst der Familienvater, der sich mit dem Eigenheim übernommen hat, soll sich nicht krankarbeiten – der Hausherr ist wichtiger als das Haus. Jetzt fragt vielleicht jemand:

„Aber wenn mir das Wasser bis zum Hals steht?“ Ja, das wäre schrecklich. Zum Glück leben wir in einem Sozialstaat, der uns zumindest vor dem Hungern und Frieren schützt und eine Schuldenberatung zur Verfügung stellt. Aber so dramatisch geht es in den meisten Fällen ja nicht zu. In Wahrheit geraten viele Leute ins Burn-out, die eigentlich in sicheren Verhältnissen leben, und viel mehr auf sich achten könnten. Hier kommt es also darauf an, einen besseren Selbstschutz zu errichten. Wenn man sich seine Kräfte gut einteilt, geht es wieder bergauf. Probieren Sie es doch mal mit den Vorschlägen aus meinem Artikel „Ruhe und Trost“.