Unser einzigartiges Menschengehirn, das unausgesetzt die verschiedensten Gedanken und Gefühle entwickelt, ließe sich wahrscheinlich nicht lange aushalten, wenn da nicht die Fähigkeit zum Vergessen wäre. Manchmal ist das Vergessen natürlich auch lästig. Wenn Sie finden, dass Sie zu vergesslich sind, überprüfen Sie folgende Punkte:

  1. Sind Sie überanstrengt oder übermüdet? Legen Sie einen ruhigen Tag ein.
Machen Sie zu viele Dinge auf einmal? Sortieren Sie Ihre Aufgaben nach Wichtigkeit, und dann immer eins nach dem andern.
  1. Verlangen Sie Ihrem Gedächtnis zu viel ab? Benutzen Sie Hilfsmittel wie Notizbuch und Kalender.
Werden Sie dauernd gestört? Machen Sie die Tür fest zu.
  1. Interessiert Sie die Angelegenheit nicht genug, oder ist sie Ihnen irgendwie unangenehm? Denken Sie noch einmal nach, was Sie da eigentlich tun und warum. Überprüfen Sie die Notwendigkeit der Sache, und wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass hier wirklich etwas Wichtiges vorliegt, sollte das motivierend auf Sie wirken. Wenn aber alles gar nicht so bedeutend ist, dürfen Sie auch ein bisschen vergesslich sein – oder sich ganz bewusst gegen eine Aufgabe entscheiden.
  2. Haben Sie Angst vor dem Älterwerden? Sie können Ihr Gedächtnis trainieren – zum Beispiel mit Gesellschaftsspielen (Karten, Memory® u.v.m.).
  3. Sind Sie krank? Manche Menschen fürchten eine demenzielle Erkrankung, andere schlagen sich mit depressiven Symptomen herum, es mangelt ihnen an Antrieb und Konzentration. Wenn Sie glauben, dass Ihre Merkfähigkeitsschwäche ein ernsthaftes Problem darstellt, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Oft liegen die Dinge nicht so schlimm wie gedacht, und es lässt sich wirksame Abhilfe schaffen.

Bei der Behandlung seelisch erkrankter Menschen zeigt sich aber, dass in der Regel nicht die Vergesslichkeit das Hauptproblem ist, sondern vielmehr die Unfähigkeit zum Vergessen. Vergessen ist an sich ein unbewusster Vorgang. Wenn wir sagen: „Das vergesse ich jetzt“, wirkt solch ein Satz unter Umständen gerade gegenteilig – wir erinnern uns vielmehr erneut an die unliebsame Geschichte. Das echte Vergessen vollzieht sich unbemerkt: Ohne, dass wir dessen inne werden, entfällt unserm Gedächtnis ein Inhalt, der nicht mehr gebraucht wird, weil er überflüssig oder belastend ist. So sollte es idealerweise sein. Aber leider prägen sich gerade manche schlechten Erfahrungen so stark ein, dass sie in unserm Gedächtnis sitzen wie in Stein gemeißelt. Und schlechte Erfahrungen erzeugen Zukunftsängste: Was, wenn dies oder jenes wieder passiert? Selbst wo solche Ängste ganz haltlos und weit hergeholt sind, können sie die Gegenwart vergällen, so dass jeder Genuss unmöglich wird. Ein paar Beispiele für Dinge, die man lieber vergessen sollte, um sich nicht den Tag zu verderben:

Gewiss: Manche Dinge kann man nicht vergessen. Es gibt Missstände, die wir beheben müssen, um unsern Seelenfrieden zu finden. Und es gibt Erfahrungen, die so furchtbar waren, dass sie ein seelisches Trauma erzeugt haben. Wäre das der Fall, bräuchte man spezielle therapeutische Behandlung. Wir reden hier aber vor allem von den vielen Kränkungen und Sorgen, die das Leben jeden Tag mit sich bringt. Über Kränkungen müssen wir hinwegkommen, denn wir werden niemals davor gefeit sein, dass uns jemand mit mehr oder weniger Absicht verletzt. Die Risiken des Lebens dürfen uns nicht zu viel Angst einjagen, sonst werden wir bewegungsunfähig. Wir müssen das Vertrauen behalten: In uns selbst, in unsern Partner, in die Welt insgesamt. Wenn Sie also merken, dass Sie ein nutzloser Gedanke quält; ein Gedanke, der Ihnen nur Angst einjagt, aber kein bisschen weiterhilft, dann versuchen Sie, ihn aus dem Kopf zu kriegen. Wenn es mit dem natürlichen Vergessen nicht funktioniert, können Sie nachhelfen:

  1. Lenken Sie sich ab. Rutscht man in unerwünschte Gefühle, nutzt es oft, wenn man sich anderweitig beschäftigt: Rätseln, rechnen oder andere logische Denkvorgänge lösen die Aufmerksamkeit zuverlässig von unsern Ängsten ab. Überhaupt hilft jede beherzte Aufnahme einer andern Tätigkeit, und sei es nur das Kartoffelschälen oder Schuhwichsen. Sie dürfen aber auch etwas Vergnüglicheres tun.
  2. Steigern Sie sich nicht in die Sache hinein, indem Sie Pannenstatistiken und Krankenberichte studieren oder sich Bilder Ihres Verflossenen anschauen. Führen Sie ergebnislose Gespräche nicht immer aufs Neue. Suchen Sie sich einen besseren Trost.
  3. Wenn Sie zum hundertsten Mal denken möchten: „Da hätte ich dem Chef sagen sollen…“ obwohl Sie ganz offensichtlich in dieser Sache nichts mehr sagen und nur noch froh sein können, dass Gras darüber gewachsen ist, dann blenden Sie gedanklich ein Stoppschild ein. Soll heißen: Sie merken selbst, der Gedanke taugt nicht, und das rote Stoppschild hält ihn auf.
  4. Sie können sich „wie ein Hexenmeister“ den Gedanken aus dem Kopf „ziehen“: Nehmen wir an, Sie haben einen Zauberstab. Tippen Sie sich im Geist damit an den Kopf, und stellen Sie sich bildlich vor, wie der Störgedanke vom Zauberstab aus Ihrem Kopf gezogen wird. Sehen Sie es wabern? Lenken Sie den Gedanken mit dem Zauberstab in eine Flasche, und verkorken Sie sie gut. Da ist er fürs Erste sicher versiegelt. Solche imaginären „Verpackungstechniken“ wenden wir in der Traumatherapie oft an.
  5. Ganz wichtig: Erlauben Sie sich, die Sache zu vergessen. Was immer es ist: Sie sollen sich nicht damit zerfleischen. Glauben Sie an Ihre Fähigkeit, auf die Dauer das Gute zu erreichen.

Noch eins: Manche Menschen suchen Vergessen in Alkohol. Verstärkter Alkoholkonsum ist immer ein Zeichen dafür, dass ein Mensch mit seinen unangenehmen seelischen Zuständen nicht anders fertig wird. Bitte seien Sie mit Alkohol sehr vorsichtig, denn er kann giftig wirken und die Gesundheit ebenso wie die soziale Existenz ruinieren. Falls Sie Alkohol in einem Ausmaß trinken, das Sie oder andere stutzig macht, gehen Sie unbedingt mit diesem Problem zum Arzt. Die meisten anderen Rauschmittel sind in Deutschland ohnehin verboten und zwar mit gutem Grund.