Konflikte sind im Leben unausweichlich und begegnen uns praktisch jeden Tag. Sonderlich beliebt sind sie nicht. Wenn Sie also gleich keine Lust mehr haben weiterzulesen, lassen Sie es bleiben. Andererseits ist es nicht schlecht, wenn man auch in aufregenden Situationen ein bisschen über sich selbst Bescheid weiß. Konflikte entstehen vor allem, wenn:

Die Konfliktfähigkeit bestimmt maßgeblich unsere Lebensqualität. Wer auf jeden Konflikt mit Angst, Spannung oder Wut reagiert, wird nicht oft guter Laune sein. Wer aus Furcht vor solchen Gefühlen Konflikten auszuweichen sucht, wird entweder oft den Kürzeren ziehen oder aber Tricks anwenden müssen, um den eigenen Willen auf Umwegen durchzusetzen, zum Beispiel Heimlichkeiten, Gerüchte oder sogar Lügen. Beruflich mögen solche Strategien bis zu einem gewissen Grad ihre Berechtigung haben, doch im Privatleben wird die mangelnde Aufrichtigkeit bald zu Argwohn und Ärger führen. Man sollte nie vergessen, dass eine verlässliche Beziehung zu den kostbarsten Errungenschaften im Menschenleben zählt und nicht durch faule Tricks mutwillig aufs Spiel gesetzt werden sollte. Und selbst im Geschäftsleben gilt: „Ein Kaufmann hat etwas Wertvolleres zu verlieren als Geld – seinen guten Ruf.“

Natürlich gibt es auch Menschen, die nie nachgeben können, sondern mit Versprechungen, Drohungen oder einfach gewaltiger Sturheit ihre Belange ewig verfechten. Solch ein Verhalten zeugt genauso wenig von guter Konfliktfähigkeit. Man muss begreifen, dass man nicht immer seinen Willen haben kann, wenn man in einer Gemeinschaft leben und nicht eines Tages verstoßen werden möchte. Andererseits gibt es freilich auch Notwendigkeiten von denen wir nicht absehen können, wenn wir unsere persönliche Freiheit wahren wollen. Es ist zugegeben nicht immer einfach zu unterscheiden: Wo uns selbst treu bleiben? Wo besser einlenken?

Wir müssen unsere eigenen echten Bedürfnisse und Notwendigkeiten kennen und auf anständige Art vertreten können. Wir müssen aber auch die Autonomie unserer Mitmenschen respektieren. Manchmal scheinen diese beiden Aufgaben kaum vereinbar zu sein. Für einen der Beteiligten entsteht Frust. Stimmt. Das heißt also, dass wir fähig sein müssen, ein gewisses Maß an Frustration zu ertragen, ohne den Glauben an uns, unsern Partner oder die Welt schlechthin zu verlieren. Wie kann man nun erkennen, ob man den Frust, die Enttäuschung auf sich nehmen muss, oder ob man Aussichten auf einen Sieg oder zumindest einen Vergleich hat?

Um solche Entscheidungen klug zu treffen, ist es wichtig, dass man im Konflikt nicht von Angst oder Zorn überflutet wird. Schön, wenn man noch nachdenken und Wichtiges von Unwichtigem trennen kann, auch nicht gleich das Schlimmste annimmt. Das innere Drama klein halten und sich daran erinnern, dass man schon viele Streitereien und Misslichkeiten gut überwunden hat. Leider denkt man oft ganz anders und wenig hilfreich. Viele Menschen werden bei jedem Konflikt, ob groß oder klein, mit tödlicher Sicherheit von denselben alten Gedanken heimgesucht, ganz egal ob sie nun passen oder nicht. Diese Gedanken gebärden sich so einleuchtend und überzeugend, gehen mit solch heftigen Gefühlen einher, dass sie handlungsbestimmend werden. Und so reagieren diese Menschen dann bei jedem Konflikt automatisch mit demselben Verhalten, das natürlich nicht jedes Mal gleich gut passen, sondern vielmehr immer in dieselbe Gasse oder Sackgasse führen wird.

Typische Gedanken:

  1. Ich bin nicht schuld.
  2. Ich darf das nicht.
  3. Ich bin herrschsüchtig.
  4. Ich muss doch helfen.
  5. Das kann ich mir nicht erlauben.
  6. Das geht doch nicht.
  7. Ich bin eine Belastung.
  8. Irgendwie und irgendwann wird es schon so, wie ich hoffe.
  9. Ich bin machtlos.
  10. Es wird sowieso nichts.
  11. Ich könnte den andern verletzen / vernichten.
  12. Ich könnte verletzt werden / vernichtet werden.
  13. Man will mich fertig machen.
  14. Die andern kapieren überhaupt nichts.
  15. Niemand nimmt auf mich Rücksicht.
  16. Ich kann verzichten.
  17. Ich darf mich nicht verweigern.
  18. Ich könnte bestraft werden.
  19. Es könnte das Chaos ausbrechen.
  20. Ich scheue die Anstrengung.
  21. Ich habe womöglich etwas falsch gemacht / etwas versäumt.
  22. Sonst hat man mich nicht mehr lieb.
  23. Es ist gar nicht so wichtig. / Ich bin nicht so wichtig.
  24. Dies eine Mal gebe ich noch nach. / Beim nächsten Mal wehre ich mich bestimmt.
  25. Ich könnte verlassen werden. / Sonst fliege ich raus.
  26. - - - - - - - - - - - - -  (soll heißen: gar kein Gedanke mehr …  nur noch Verwirrung)

Nr. 1 ist ein Klassiker, der sich regelmäßig dann einstellt, wenn die Situation unangenehm zu werden droht. Dabei geht es meistens mehr um die Frage, was jetzt am besten zu tun ist, und nicht um die Suche nach dem „Schuldigen“.

Bei depressiven Patienten sind dagegen die Spitzenreiter Nr. 11, 16, 21. Solche Menschen neigen dazu, ihre eigenen Anliegen und Bedürfnisse zurückzustellen. Auf diese Weise müssen sie darben und haben trotzdem noch ständig Angst, sie könnten böse sein und sich zu viel herausnehmen! Kein Wunder, dass es ihnen am Ende schlecht geht.

Bei Leuten, die im Konflikt mehr zur Aggression neigen, werden dagegen Nr. 13, 14, 15 vorne liegen. Solche Menschen setzen sich auch in Kleinigkeiten mit einer Wucht durch, die an Rücksichtslosigkeit grenzt. Obwohl sie kraftvoll oder sogar rabiat erscheinen, fürchten sie in Wahrheit ihre Mitmenschen sehr und deuten schon in kleine Frustrationen große Angriffe hinein. Deshalb reagieren sie sogleich mit Heftigkeit. Manchen gelingt es auf diese Weise, ihre Umwelt einzuschüchtern, andere werden auf Dauer kalt gestellt. In jedem Fall manövrieren sie sich ins Abseits und fühlen sich dann einsam, was sie allerdings zuweilen nur noch unangenehmer macht.

Es gibt auch Fans von Nr. 5 und 6: Die können sich weder erlauben „nein“ noch „ja“ zu sagen, es geht nicht vor noch zurück. Damit gelingt es ihnen oft, einen Konflikt solange in der Schwebe zu halten, bis er sich entweder von selbst erledigt oder vom Schicksal entschieden wird – wobei das Schicksal leider nicht immer die besten Entscheidungen trifft.

Und Menschen, die die Nr. 26 kennen, sind auch nicht zu beneiden: Wenn jede Konfliktsituation einen solchen Schrecken auslöst, dass das Oberstübchen nicht mehr funktioniert, fühlt man sich ziemlich ausgeliefert.

Tatsächlich sind wir umso konfliktfähiger, je größer unser Repertoire an Gedanken im Ernstfall ist. Wer eine Tendenz ins Depressive, Aggressive oder Unentschlossene bei sich verspürt, kann ja mal überlegen, ob nicht ein paar neue Gedanken zusätzlich in Frage kommen. Empfehlenswert wären zum Beispiel:

  1. Vielleicht gibt es einen Kompromiss.
  2. Wir sitzen eigentlich in einem Boot.
  3. Ich habe schon viele schwierige Dinge hingekriegt.
  4. Das werde ich auch überleben.
  5. So schlimm ist es nicht.
  6. Wir denken nochmal alle nach.
  7. Einen Versuch ist es wert.
  8. Das kann schon mal passieren.
  9. Ist es vielleicht ganz anders?
  10. Ich bin in Ordnung.
  11. Der andere ist in Ordnung.

Wenn wir es erst einmal schaffen, unsere eigene Aufregung in Grenzen zu halten, steigen unsere Aussichten, Konflikte erfolgreich oder zumindest erträglich zu gestalten. Im nächsten Psychotickerbeitrag widmen wir uns weiteren Strategien zur „Konfliktbewältigung.“